Eine bewegende Begegnung
Auf einer Reise nach Kapstadt hat Peggy Mihan eine besondere Begegnung. Sie erlebt, missionarisches Handeln ist niemals eine Einbahnstraße. Von diesem bewegenden Erlebnis erzählt sie in ihrem Blogbeitrag.
Die Vielfalt in unserer weltweiten Kirche zwischen und innerhalb der Provinzen nimmt zu – das nehmen wir in der Herrnhuter Brüdergemeine oder Moravian Church, wie sie international genannt wird, wahr. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass der Diskurs über Identität und Einheit lange von den nördlichen Provinzen dominiert wurde.
© Foto: Jean van Wyk/unsplash | Missionarisches Handeln ist nie eine Einbahnstraße.
Der Überzeugung folgend, dass der Austausch zwischen Geschwistern aus verschiedenen kulturellen Kontexten die Herrnhuter Identität stärkt, fand im November 2018 ein Gespräch zwischen Mitgliedern der Evangelischen Brüder-Unität (EBU) aus der Festländisch-Europäischen Provinz und aus Jamaika statt. Organisiert wurde es von der niederländischen Missionsorganisation der EBU, die Zeister Zendingsgenootschap (ZZg), die dazu erklärt: „Es ist uns wichtig, unsere Schwestern und Brüder im Süden zu hören und mit ihnen im Gespräch zu sein. Wir glauben, dass diese Gespräche alle Parteien stärken werden, die an ihrer Sichtweise des kirchlichen Lebens und Glaubens beteiligt sind.“
Moravians aus Europa und der Karibik tauschten sich so aus regionaler Perspektive über die Zukunft des kirchlichen Lebens, der Mission und der Zusammenarbeit innerhalb der EBU aus – und stellten fest, dass ihre Herausforderungen vor Ort miteinander vergleichbar waren. Diese Erfahrung bewog die ZZg, ein zweites Treffen zu organisieren und zu finanzieren.
Diesmal trafen sich Geschwister aus Europa und Südafrika in Kapstadt. Ich hatte die Gelegenheit, dabei zu sein und erlebte eine intensive, von sehr persönlichen Begegnungen und Gesprächen geprägte Zeit.
Unsere Delegation bestand zur Hälfte aus Geschwistern aus Deutschland bzw. den Niederlanden aus verschiedenen Gemeinden, Vertreter*innen der ZZg, der Jugend und Kirchenleitung sowie einem Bischof. Die südafrikanische Delegation war spiegelbildlich zusammengestellt. Wir alle hatten dieselben Fragen zur Vorbereitung bekommen. Das große Thema war die „Brüderische Identität“, der wir uns vom Großen (Glaubensfragen) zum Kleinen (Biographien, persönliche Erfahrungen) näherten. Es war sehr schön, zu erleben, wie schnell solche persönlichen Kontakte, das wirkliche Kennenlernen der verschiedenen Welten, Gemeinschaft stiften.
Mut machende Nachrichten von einem unerschütterlichen Glauben
Ein nachhaltig eindrückliches Erlebnis war ein Abend der Begegnung mit jungen Erwachsenen, die sich in ihren jeweiligen Gemeinden in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen engagieren. Gewalt und Kriminalität sind in Kapstadt alltagsbestimmende Themen. Eine der wichtigsten Fragen war immer wieder: „Wie kommen unsere Jugendlichen sicher in die Gemeinde und wieder zurück?“ In diesem Austausch erlebten wir junge Menschen, denen ihre „Moravian identity“ elementar wichtig ist. Die wollen sie weitergeben, gekoppelt mit der Erfahrung eines tiefen Glaubens, der sich auch in einem nicht unkomplizierten Alltag als tragfähig erweist.
Neben dem Gesprächsabend gab es am Rande nicht viel Zeit zu persönlichen Gesprächen, zu schnell war der Bus wieder da, der alle abholte, um sie sicher nach Hause zu bringen. Unsere Gespräche waren intensiv und gingen schnell in die Tiefe. Noch heute bin ich erstaunt, wieviel sich doch in ziemlich begrenzter Zeit sagen und erfahren lässt. Ein solches Erlebnis hatte ich mit Lynn Nganje, die gemeinsam mit ihrem Mann Pride da war. Am Buffet stehend und nebenbei essend wurden die wichtigsten Eckdaten über Arbeit und Privates und natürlich die Telefonnummer ausgetauscht. Dann musste sie auch schon los.
Doch der Beginn einer Freundschaft wurde gelegt und ich lernte Lynn und Pride in den nächsten Wochen weiter kennen. Von Pride hörte ich, dass er an einem Buch schrieb, Lynn war neben der eigenen Familie sehr in ein Tanzprojekt in ihrer Gemeinde eingebunden. Dann kam Corona. Die digitalen Kontakte vertieften sich, Online-Gottesdienste wurden hin und her geschickt, musikalische Beiträge aus Südafrika wurden mit Freude in unser Format aufgenommen, ein Kind wurde geboren, Corona verging, Kapstadt stand in Flammen. Immer wieder hörten wir voneinander. Es erreichten mich Mut machende Nachrichten, die von einem unerschütterlichen Glauben trotz aller Schwierigkeiten zeugten. 2020 hörte ich davon, dass Pride sein Buch veröffentlicht hat. Natürlich kaufte ich es mir. „Discipline ist the key“. Ich würde sagen: ein Buch für Eltern aus der Elternperspektive mit der (vielfach biblisch untermauerten) Botschaft, dass es gesellschaftlich relevant ist, seine Kinder so zu erziehen, dass sie ihren Eltern und überhaupt allen Menschen mit Respekt begegnen, denn geschieht dies nicht, wird „dadurch die Gemeinschaft und die Welt als Ganzes den Preis dafür zahlen und leiden.“ Die Themen unseres Treffens waren offensichtlich genau seine Themen.
Missionarisches Handeln ist niemals eine Einbahnstraße
In der Einleitung seines Buches berichtet Pride von unserer Konferenz und schreibt dazu: „Ich war überrascht, dass Gott mich zu dieser Konferenz geschickt hatte, damit ich ein klares Bild und Verständnis für die Herausforderungen bekommen konnte, denen unsere Jugend heute gegenübersteht. Es wurden mehrere Fragen gestellt, wie zum Beispiel: Was kann der Kriminalität entgegengesetzt werden? Was sind Gründe, die das Verhalten von Jugendlichen beeinflussen? Wie können wir die Eltern von Jugendlichen erreichen? Wir können wir in der Gesellschaft und in unseren Gemeinden Jugendliche erreichen und ihnen Räume bieten, wo sie sich angenommen fühlen? … Die Konferenz war ein großer Erfolg und sehr gute Ideen wurden ausgetauscht.“
Natürlich freute ich mich, darüber zu lesen und noch schöner ist es, zu erleben, dass Lynn und Pride inzwischen gemeinsam ein Workshop-Programm anbieten, welches weit über das Thema des Buches hinausgeht. Geschlechtergerechtigkeit, Gewaltprävention und die Stärkung des Vertrauens in die junge Generation gehören beispielsweise dazu. Die Botschaft der beiden geht weit über die der Moravian Church hinaus. Vor einiger Zeit wurde etwa auf YouTube ein Interview mit Pride unter dem Titel „Insights from a Human Rights Activist“ veröffentlicht. Und gleichzeitig ist zu spüren, dass die Moravian Church das Fundament ist, auf dem sie stehen und zu dem sie sich bekennen.
Ich habe viel von dieser Reise, insbesondere von den beiden mitgenommen. Solche Begegnungen helfen, offen zu bleiben und immer wieder mal aus einem neuen Blickwinkel auf Bekanntes zu schauen. Missionarisches Handeln ist niemals eine Einbahnstraße. Als Geschwister einer Kirche oder in unseren Partnerschaften können wir uns immer wieder gegenseitig bereichern und ermutigen.
Wenn wir die Motivation unseres Handelns an unseren jeweiligen Orten und in unseren unterschiedlichen Aufgabenfeldern transparent machen, können wir missionarisch wirken, an der Seite anderer Menschen, miteinander, für andere, füreinander.
Peggy Mihan
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