Glaube in Aktion? Das Bekenntnis von Accra in Pakistan

Im Herzen der ghanaischen Hauptstadt Accra hat der Weltbund Reformierter Kirchen (heute Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen) im Jahr 2004 ein tiefgründiges Dokument formuliert, das auf allen Kontinenten und in allen Kontexten Widerhall findet. Das Bekenntnis von Accra, eine Erklärung des Glaubens und des Engagements für soziale, wirtschaftliche und ökologische Gerechtigkeit, hält den globalen Ungerechtigkeiten einen Spiegel vor und fordert Christ*innen weltweit auf, sich gegen systemische Ungerechtigkeiten zu stellen. Aus pakistanischer Sicht hat dieses Bekenntnis tiefgreifende Auswirkungen, insbesondere angesichts der komplexen soziopolitischen Landschaft des Landes, in dem wirtschaftliche Ungleichheit, religiöse Verfolgung und die Folgen der Globalisierung große Herausforderungen darstellen, meint Anam Gill in ihrem Blogbeitrag.

Das sozioökonomische und politische Klima Pakistans ist von Ungleichheiten geprägt, die die im Bekenntnis von Accra (auch Erklärung von Accra) dargelegten globalen Bedenken widerspiegeln. Die Kluft zwischen der wohlhabenden Elite und den Ausgegrenzten ist groß, eine Kluft, die durch eine Politik, die Profit über das Wohlergehen der Menschen stellt, weiter vertieft wird. Der Agrarsektor, ein Eckpfeiler der Wirtschaft des Landes, wird durch Unternehmensmonopole, ungerechte Landverteilung und die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels belastet – Probleme, die im Bekenntnis von Accra scharf kritisiert werden.

Das Bekenntnis von Accra ist für Anam Gill ein Aufruf an die christliche Gemeinschaft in Pakistan, sich für Gerechtigkeit einzusetzen und sich mit allen unterdrückten Gruppen zu solidarisieren, unabhängig davon, ob sie unter wirtschaftlicher Ausbeutung, Umweltzerstörung oder sozialer Diskriminierung leiden. © Foto: Adeel Shabir/unsplash | Das Bekenntnis von Accra ist für Anam Gill ein Aufruf an die christliche Gemeinschaft in Pakistan, sich für Gerechtigkeit einzusetzen und sich mit allen unterdrückten Gruppen zu solidarisieren, unabhängig davon, ob sie unter wirtschaftlicher Ausbeutung, Umweltzerstörung oder sozialer Diskriminierung leiden.

Darüber hinaus unterstreicht der Zusammenbruch des Wirtschaftssystems, der durch eine von Globalisierung und imperialen Interessen getriebene Politik noch verschärft wird, die Betonung der wirtschaftlichen Gerechtigkeit im Bekenntnis. Diese Politik, die oft von mächtigen internationalen Institutionen diktiert wird, hat zu weit verbreiteter Armut, Arbeitslosigkeit und sozialer Unzufriedenheit in Pakistan beigetragen.

Das Bekenntnis fordert uns dazu auf, zu erkennen, wie politische, wirtschaftliche und militärische Mächte zusammenwirken, um ein globales Wirtschaftssystem durchzusetzen, das mit dem Tod handelt. In Pakistan zeigt sich dies in der Art und Weise, wie Strukturanpassungen, Privatisierungen und Auslandsverschuldung die Ungleichheit vertieft und die Nation anfällig für äußere Einflüsse gemacht haben. Die Kritik des Bekenntnisses am „Imperium“ (Anm. d. Red.: Der Begriff „Imperium“ bezeichnet im Bekenntnis von Accra ein weltweites System politischer, wirtschaftlicher und militärischer Macht, das Ungleichheit und Ausbeutung erzeugt.) spricht diese Realitäten direkt an und fordert eine auf Glauben basierende Ablehnung von Systemen, die Ausbeutung und Schaden aufrechterhalten.

Die Überschneidung globaler und lokaler Ungerechtigkeiten

Neben den wirtschaftlichen Herausforderungen sind religiöse Minderheiten in Pakistan, insbesondere Christ*innen, systematischer Marginalisierung und Verfolgung ausgesetzt. Gesetze wie die Blasphemiegesetze haben ein Klima der Angst und Verletzlichkeit geschaffen, wodurch es noch dringlicher wird, die umfassenderen Strukturen der Ungerechtigkeit anzugehen.

Obwohl das Bekenntnis von Accra nicht ausdrücklich auf religiöse Verfolgung eingeht, findet sein Aufruf, sich gegen Systeme zu stellen, die unterdrücken und ausbeuten, in solchen Kontexten großen Anklang. Für pakistanische Christ*innen kommt zu ihrem Kampf für Gerechtigkeit noch eine weitere Ebene der Komplexität hinzu, da sie sowohl mit wirtschaftlichen als auch mit religiösen Herausforderungen konfrontiert sind.

Glaube in Aktion: Ein Aufruf an pakistanische Christ*innen

Für die christliche Gemeinschaft Pakistans bietet das Bekenntnis von Accra eine theologische Grundlage, um nicht nur wirtschaftliche Ungerechtigkeit, sondern auch die systemischen Strukturen, die sie aufrechterhalten, zu bekämpfen. Die Botschaft des Bekenntnisses fordert Christ*innen dazu auf, ihren Glauben in konkreten Taten der Gerechtigkeit zu leben und sich für eine nachhaltige Entwicklung und eine gerechte Wirtschaftspolitik einzusetzen. In einem Land, in dem sozioökonomische Ungleichheiten tief verwurzelt sind, ruft das Bekenntnis Christ*innen dazu auf, auf eine Gesellschaft hinzuarbeiten, in der die Menschenwürde Vorrang vor dem Profit hat.

Dieser Aufruf zum Handeln geht über die Kirchenmauern hinaus. Es ist ein Aufruf, sich für den größeren Kampf für Gerechtigkeit einzusetzen und sich mit allen unterdrückten Gruppen zu solidarisieren, unabhängig davon, ob sie unter wirtschaftlicher Ausbeutung, Umweltzerstörung oder sozialer Diskriminierung leiden. Das Bekenntnis betont, dass Glaube nicht von Handeln getrennt werden kann, und fordert die pakistanischen Christ*innen auf, die Systeme in Frage zu stellen, die Ungerechtigkeit und Ungleichheit aufrechterhalten, insbesondere diejenigen, die von den Kräften der Globalisierung und imperialen Interessen geprägt sind.

Über die Kirche hinaus: Eine gemeinsame Verantwortung

Obwohl das Bekenntnis von Accra tief in der christlichen Theologie verwurzelt ist, überschreitet seine Botschaft religiöse Grenzen. Es ruft zum Dialog und zur Zusammenarbeit zwischen allen Gemeinschaften auf, um eine gerechtere Gesellschaft aufzubauen. Dies ist zwar nur ein kleiner Punkt in dem Bekenntnis, aber er bleibt im pakistanischen Kontext von Bedeutung, wo die interreligiöse Zusammenarbeit zum sozialen Zusammenhalt und zu gemeinsamen Bemühungen um Gerechtigkeit beitragen kann.

Die im Bekenntnis von Accra dargelegte Vision von Gerechtigkeit stimmt mit den Werten vieler anderer in Pakistan praktizierter Glaubenstraditionen überein. So finden sich beispielsweise die islamischen Grundsätze der Gerechtigkeit, des Mitgefühls und des Schutzes der Menschenwürde in dem im Bekenntnis enthaltenen Aufruf zu Gleichheit und Solidarität wieder. Durch die Vereinigung über religiöse Grenzen hinweg können Gemeinschaften in Pakistan beginnen, eine Gesellschaft aufzubauen, in der wirtschaftliche Gerechtigkeit gewahrt und die Marginalisierten gestärkt werden.

Der Weg nach vorn

Das Bekenntnis von Accra fordert uns auf, uns eine Welt vorzustellen, in der Gerechtigkeit und nicht Gier unsere sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Systeme regiert. In Pakistan erfordert diese Vision nicht nur Kritik, sondern auch Mut – den Mut, sich gegen die Machtstrukturen zu stellen, die Ungerechtigkeit aufrechterhalten, sich für die Marginalisierten einzusetzen und die Erde für zukünftige Generationen zu schützen. Es erfordert auch den Mut, sich gegen politische Maßnahmen und Praktiken zu stellen, die die nationale Souveränität und wirtschaftliche Stabilität untergraben, oft im Dienste globaler imperialer Interessen.

Als Angehörige der christlichen Minderheit in Pakistan finde ich das Bekenntnis von Accra sowohl überzeugend als auch inspirierend. Es fordert uns auf, über die bloße Anerkennung von Ungerechtigkeiten hinauszugehen und uns zu transformativen Maßnahmen zu verpflichten. Von den belebten Straßen Karachis bis zu den friedlichen Dörfern von Punjab muss diese Botschaft gehört werden – nicht nur von Christ*innen, sondern von allen, die sich nach einer gerechten und nachhaltigen Zukunft sehnen.

Die Herausforderung ist immens, aber ebenso groß ist die Hoffnung, die das Bekenntnis von Accra mit sich bringt. Es bietet nicht nur eine Kritik an den Missständen der Welt, sondern auch eine Vision davon, wie sie sein könnte – eine Welt, in der Glaube und Gerechtigkeit Hand in Hand gehen, in der Wirtschaftssysteme dem Gemeinwohl dienen und in der die Ausgegrenzten nicht länger zum Schweigen gebracht werden.

Anam Gill


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