Kirche, Kaffee, Kuba – (K)eine große Sache

Was bedeutet Hoffnung in Zeiten von Mangel? In Kuba begegnet sie oft in einer kleinen Tasse Kaffee – und in Gemeinschaft, die trägt. Auf einer Reise in Kuba hat Barbara Neubert unzählige Tässchen Kaffee getrunken und kam den Menschen und ihrer Lebensart, die auch ihre Kirchengemeinden prägt, auf besondere Weise näher. Mehr berichtet sie in ihrem Blog-Artikel.

Kuba und Kaffee gehören zusammen, auch wenn Kuba als Kaffee-Anbaugebiet bei uns wenig bekannt ist und seit dem 19. Jahrhundert seine Bedeutung als Kaffee exportierende Nation größtenteils verloren hat. Doch im Land ist der Kaffee fester Bestandteil der kubanischen Lebensweise. Auf meiner Reise in Kuba habe ich unzählige Tässchen Kaffee getrunken. In diesen kleinen Momenten zeigt sich viel von diesem Land und seinen Menschen.

Kaffee ist in Kuba zwar in kleinen Tassen, aber von großer Bedeutung. © Foto: Rhamely/unsplash | Kaffee ist in Kuba zwar in kleinen Tassen, aber von großer Bedeutung.

Die Tasse Kaffee in Kuba ist klein, fast Puppengeschirrgröße. Im meine passt 20 Milliliter. Wie gut, dass sie nicht größer ist, denn sonst wäre es noch komplizierter, dass der Kirchenkaffee für alle reicht. Kaffee ist in der Bodega, dem staatlichen Geschäft für subventionierte Grundnahrungsmittel, im Moment nicht zu bekommen. Der Kiosk nebenan hat welchen, für sechs Dollar das Päckchen (230gr), und kostet damit mehr als eine monatliche staatliche Grundrente. Kaffee gehört zum Alltag und ist Luxus.

Kaffee ist Sonntag

Ich bin in einer Gemeinde in der Hafenstadt Matanzas zu Gast. Am Sonntagmorgen kommen Alt und Jung zusammen. Zuerst gibt es Sonntagsschule, nach Altersgruppen getrennt. Das Thema der Erwachsenen ist, was eigentlich presbyterianisch reformiert bedeutet. In letzter Zeit sind viele Erwachsene neu dazugekommen. Alle kennen katholische Kirche mit ihrer klaren Hierarchie, mit vielen Bildern und Heiligen, die es in dieser Kirche nicht gibt. Aber reformiert presbyterianisch heißt ja nicht nur, dass etwas fehlt, sondern ein bestimmtes Verständnis von Gemeinde. In den Gemeinden wird sehr viel von den Gemeindemitgliedern selber entschieden. Lai*innen leiten die Gemeinde. Sie tragen Verantwortung für das Leben in der Gemeinde. Soziales Engagement gehört selbstverständlich dazu, wie Kaffee. Sonntags gibt es ihn vor dem Gottesdienst, im Innenhof der Gemeinde, mit Zeit für einen Schwatz, der so wichtig ist in einer Zeit, in der viele ihre Angehörigen im Ausland haben. Einsamkeit ein großes Thema ist. Ein Kirchenkaffee ist das Gegenteil von Alleinsein.

Und was ist mit Milch?

2024 hat die kubanische Regierung das UN-Welternährungsprogramm um Hilfe gebeten, damit wenigstens die Jüngsten regelmäßig Milch trinken. Jetzt wird aus dem UN-Programm Milchpulver auf die Insel geliefert. Milchpulver scheint die cleverere Variante zu sein, keine H-Milch. Denn die Stromausfälle machen das Leben kompliziert. Nur wenige Gebiete wie Havanna oder Varadero sind von den langen Stromabschaltungen ausgenommen. Lebensmittel kühl zu lagern, gar einzufrieren, geht unter diesen Umständen kaum.

Wie geht die Gemeinde, in der ich zu Gast bin, damit um? Sie hat Glück, ist von den Stromabschaltungen kaum betroffen, denn sie gehört zu dem Stromkreislauf, zu dem ein Krankenhaus und die Parteizentrale der Provinz gehören. Zwei Straßenecken weiter gibt es vielleicht neun Stunden Strom am Tag oder auch nur drei. Die Gemeinde besitzt mehrere Kühltruhen: Ehrenamtliche lagern ihr Kühlgut hier, ordentlich beschriftet und sicher gelagert.

Ich überlege: Womöglich geht es gar nicht mehr darum, wie man Kirche im Sozialismus lebt. Womöglich ist es wichtiger, als Kirche in der Mangelwirtschaft zu leben.

Coffee to go a la cubana

Viele Kirchen tun dies kreativ, improvisierend und immer mit einer Analyse der aktuellen Situation. Die Gemeinde, in der ich zu Gast bin, lädt einmal in der Woche die Lehrer*innen der Schule gegenüber in der Pause auf einen Kaffee ein – einfach so. Und um zu zeigen: Wir schätzen eure Arbeit als Pädagog*innen. Wir wissen, dass ihr zu schlecht bezahlt werdet. Wir trinken genauso gerne Kaffee wir ihr und leben mit euch solidarische Nachbarschaft.

Natürlich gibt es auch Coffee to go: Vor der Haustür steht eine Frau mit einer Thermoskanne Kaffee. Vielleicht kommt jemand vorbei, auf einen Schnack, auf einen Kaffee. Vielleicht lässt sich so eine Einnahme erzielen, vielleicht. Pappbecher oder Plastikdeckel braucht es dafür nicht. In die winzige Tasse ein Schlückchen Kaffee – und schon ist man viel wacher und stärker, um den Widrigkeiten zu trotzen.

Entdecken, was heute stärkt

Für unsere Partnerkirche, die Presbyterianisch-Reformierte Kirche in Kuba ist es in diesem Jahr besonders die Hoffnung, die sie in diesen Zeiten der Mangelwirtschaft, stärkt.

Hoffnung ist vielleicht nicht so sehr der Blick in die nahe oder ferne Zukunft, die gut oder zumindest besser als die Gegenwart sein wird. Sondern Hoffnung ist das, was mir Kraft gibt für jetzt. Hoffnung ist das, was den Tag heute leichter macht. „Hope is the thing with feathers“ (Emiliy Dickinson).

„Una iglesia que reafirma la esperanza“ – eine Kirche, die die Hoffnung stärkt, das will die Presbyterianisch-Reformierte Kirche in Kuba sein.

Diesen Gedanken entdecke ich in der Liturgie des Gottesdienstes wieder. Mitten im Gottesdienst erzählen Menschen, wofür sie dankbar sind. All dies gehört zum Dankgebet, das ebenso wichtig ist wie die Fürbitte. Manchmal ist es der Dank für den Kaffee am Morgen, frisch gekocht für einen guten Start in Gottes neuen Tag.

Barbara Neubert


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