Veränderung geht nur gemeinsam

Der Weltkirchenrat zu Gast in Deutschland. Etwa 4.000 Menschen aus rund 120 Ländern sind von 31. August bis 8. September zur 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) nach Karlsruhe gekommen. Gemeinsam haben sie ihren Glauben gefeiert, sind einander begegnet, haben diskutiert und um Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit gerungen. Rainer Kiefer, Direktor der Evangelischen Mission Weltweit, zieht nach dem Treffen eine erste Bilanz und stellt sich auch die Frage, wo die Reise nach Karlsruhe nun hingeht.

Delegierte, Berater*innen und Gäste sind wieder aus Karlsruhe abgereist. Die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) liegt hinter uns. Es waren erfüllte Tage. Zahlreiche Begegnungen – geplant und sehr oft spontan –, bewegende Andachten am Morgen und am Abend, Bibelarbeiten, Präsentationen und Workshops und die Plenarsitzungen mit thematischen Foren und herausfordernden Debatten. Das alles muss sich erst einmal im eigenen Erleben setzen und es lohnt sich, mit dem gebotenen Abstand gemeinsam mit anderen auszuwerten, was wir in den vergangenen Tagen und Wochen erlebt haben.

Ökumenische und interkulturelle Gottesdienste, wie der Eröffnungsgottesdienst am 31. August, waren zentraler Bestandteil der ÖRK-Vollversammlung. © Foto: Corinna Waltz/EMW | Ökumenische und interkulturelle Gottesdienste, wie der Eröffnungsgottesdienst am 31. August, waren zentraler Bestandteil der ÖRK-Vollversammlung.

Das Engagement der gastgebenden Kirchen und der Stadt Karlsruhe und der ehrenamtlichen Helfer*innen war beeindruckend. Trotz so vieler Herausforderungen ist es gelungen, mehr als 4.000 Menschen aus aller Welt für einige Tage ein Zuhause auf Zeit zu bieten.

Ökumenisches Miteinander bedeutet auch Kompromisse

Ich freue mich, dass sich unsere inhaltlichen Vorbereitungen in den vergangenen Jahren im Gastausschuss, in der Planung der Begegnungsorte und für Workshops und Präsentationen gelohnt haben. In den Ökumenischen Gesprächen gab es ernsthafte Diskussionen, die sich hoffentlich auswirken werden auf den Kurs des ÖRK in den kommenden Jahren. Die Gottesdienste in ihrer ökumenischen Vielfalt und Schönheit stärkten Herzen und Sinne und die erarbeiteten Stellungnahmen machen deutlich, dass die Kirchen mitten im Alltag der Welt zuhause sind. Oft wurde in langen Ausschusssitzungen um angemessene Formulierungen gerungen und natürlich führte dies auch zu Kompromissen, die nicht allen gefallen.

Die schwierige Debatte um die Partizipation der jungen Generation auf der Vollversammlung und im zukünftigen Zentralausschuss wird in Erinnerung bleiben. Die jungen Delegierten fanden Wege, sich auch in stringent moderierten Plenarsitzungen Gehör zu verschaffen. Ich erinnere eine eindrückliche Szene, in der sie gemeinsam am Mikrofon standen und im Schulterschluss ihren Zusammenhalt zum Ausdruck brachten. Nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in den Kirchen wird es in den kommenden Jahren auf diese neue Generation ankommen. Gut zu wissen, dass sie sich nicht den Mund verbieten lassen.

Junge Menschen ergreifen während einer Plenarsitzung der ÖRK-Vollversammlung die Mikrofone, um eine stärkere Vertretung in der weltweiten Gemeinschaft der Kirchen zu fordern und die Dringlichkeit von Themen wie dem Klimawandel zu betonen. © Foto: Albin Hillert/WCC | Junge Menschen ergreifen während einer Plenarsitzung der ÖRK-Vollversammlung die Mikrofone, um eine stärkere Vertretung in der weltweiten Gemeinschaft der Kirchen zu fordern und die Dringlichkeit von Themen wie dem Klimawandel zu betonen.

Christ*innen sind Menschen, die mit Jesus Christus auf dem Weg sind und die sich gegenseitig ermutigen. Es war gut, eine Auswahl dieser Menschen in Karlsruhe zu treffen. Frauen und Männer, Menschen aus der LGBTQIA*-Community, Menschen mit Behinderungen und Vertreter*innen der First Nations, Junge und Erfahrene, Ehren- und Hauptamtliche, Bischöfinnen und Bischöfe, und wie es eine Freundin aus Kanada sagte: „We come in all colours.“ (Wir kommen in allen Farben.) All diese Menschen werden nach Hause zurückkehren und in Gemeinden und Synoden von der Vollversammlung berichten.

Und dennoch werden wir darüber reden müssen, ob Weltkonferenzen dieser Größe zukunftsfähig und nachhaltig sind. Auch mit der deutlichen Kritik an der Kommunikation im Plenum, Abstimmungsverhalten und Redezeiten wird sich der neugewählte Zentralausschuss beschäftigen müssen! Plenarsitzungen mit so vielen Menschen aus unterschiedlichen Kontexten zu moderieren, ist eine große Herausforderung. Ein strikter Programmablauf und ein manchmal rigide erscheinendes Zeitmanagement ermöglichten wenig Freiraum für spontane Reaktionen und vertiefende Diskussion im Plenum. Welche Alternativen es gibt und was das für die Gestaltung künftiger Treffen bedeutet, gehört zu den spannenden Fragen, die sich nun nach Karlsruhe stellen.

Was wird von Karlsruhe 2022 bleiben?

In Karlsruhe haben wir die Vielfalt der Kirchen in der Welt erlebt, Gottesdienste und Andachten haben uns gestärkt und wir haben uns den Herausforderungen innerhalb der Kirchengemeinschaften und den Zukunftsfragen in einer komplexen Welt gestellt. Es gab Raum für Streit und Auseinandersetzung. Das gemeinsame Gebet und die Hoffnung auf Frieden und Versöhnung führten uns wieder zusammen. Wir bleiben als Geschwister Jesu Christi auf dem Weg zur Einheit in Vielfalt unterwegs und wollen konfessionalistischen Engführungen und ideologisch begründeten Vorbehalten keinen Raum geben. Wenn dies gelingt, bin ich überzeugt, dass wir Veränderungen erreichen und einen Unterschied machen können.

Rainer Kiefer


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