Advent in Mexiko
Fast 80 Prozent der mexikanischen Bevölkerung sind römisch-katholisch getauft. Der Advent ist von besonderen Bräuchen wie den „Posadas“ geprägt, die in katholischen Glaubenspraktiken ihren Ursprung haben. An ihnen nehmen viele Menschen teil. Allerdings nicht immer aus religiösen Motiven, wie Suriana González Juárez erklärt.
© Foto: Santiago Filio/unsplash | Besonders Kinder erfreuen sich im Advent an den sternförmigen Piñatas.
In Mexiko sind fast 80 Prozent der Menschen römisch-katholisch. Der Katholizismus ist aber keine Staatsreligion. Welche Rolle spielen christliche Feiertage in der allgemeinen öffentlichen Wahrnehmung in Mexiko?
Christliche Feste sind mit dem öffentlichen Leben verknüpft, was aber nicht bedeutet, dass die Öffentlichkeit in religiöser, sondern in eher kommerzieller Hinsicht an ihnen teilnimmt.
Der Katholizismus kam durch die Kolonisierung durch Spanien nach Mexiko. Haben sich Einflüsse der indigenen Religionen, die zuvor praktiziert wurden, in der heutigen Glaubenspraxis mancher Gläubigen erhalten?
Die Lebensweise der indigenen Gemeinschaften spiegelt sich in den derzeitigen religiösen Praktiken wider, insbesondere in der gemeinschaftlichen Religionsausübung. In einigen Gemeinschaften gibt es einfache Bräuche, die eher die indigene Spiritualität als die Religion als solche widerspiegeln. So bitten die Menschen beispielsweise beim Pflanzen um die Erlaubnis der Erde und den Segen Gottes oder halten Gebetstage an einem besonderen Ort in den Bergen ab.
© Foto: privat | Suriana González Juárez
Wird der Advent in irgendeiner Weise öffentlich gefeiert oder wird im öffentlichen Raum offensichtlich? Wenn ja, wie?
Der Advent wird in den Gottesdiensten der protestantischen Kirchen gefeiert; in den katholischen Kirchen ist der Advent neun Tage lang Teil des öffentlichen Raums; diese Feiern werden Posadas genannt. Posada heißt übersetzt „Herberge“ und ist angelehnt an die Herbergssuche von Maria und Josef. Manchmal sogar in Verkleidung. Oft werden Kerzen getragen, es wird gesungen und an die Türen der Nachbar*innen geklopft, um Einlass und einen Schlafplatz zu erbitten. Die Tradition der Posadas ist bei den indigenen Völkern noch stärker ausgeprägt. Sie werden von den Menschen hauptsächlich organisiert, um Gott für das zu danken, was sie im Laufe des Jahres erlebt haben. Obwohl diese Feiern in der Regel in den Häusern stattfinden, sind sie für die gesamte Gemeinschaft offen und jede*r kann daran teilnehmen.
Wie wird Advent in den christlichen Gemeinden oder von den Christ*innen selbst gefeiert? Gibt es besondere Gottesdienste, Rituale oder ähnliches?
In den evangelikal-charismatischen Gemeinschaften wird der Advent normalerweise nicht gefeiert. Die katholischen Kirchen feiern die Posadas vom 16. bis 24. Dezember, wie oben erwähnt. Im Allgemeinen wird die Geburt Jesu auf eine sehr kommerzielle Art und Weise gefeiert, ohne darauf einzugehen, warum Weihnachten gefeiert wird. Ein bei Kindern besonders beliebter Brauch ist die Piñata de Adviento, also die Advents-Piñata. Das ist eine sternförmige Piñata, die mit Früchten und Süßigkeiten gefüllt und oft Teil der Posadas-Feierlichkeiten ist.
Gibt es besondere Gottesdienste, Rituale oder Ähnliches?
In einem Teil Mexikos gibt es „La Rama“. Das ist eine Tradition, die auch mit dem Jahresende verbunden ist. Von einem großen Baum wird ein Zweig abgeschnitten und festlich geschmückt, und dann gehen die Menschen singend von Tür zu Tür.
Ein weiterer wichtiger religiöser Feiertag in Mexiko, der in den Advent fällt, ist der 12. Dezember. Was wird da gefeiert und warum?
Es ist das Fest der Jungfrau von Guadalupe. Der Vorläufer ist die Marienerscheinung (Ayate) des Indigenen Juan Diego. Die Jungfrau von Guadalupe gilt als das größte Symbol des religiösen Synkretismus in Mexiko. Da es dem Katholizismus lange Zeit nicht gelang, die Verehrung der Jungfrau Maria gegenüber Tonantzin, der Muttergöttin der Nahua, durchzusetzen, führte er eine PoC-Jungfrau als Symbol für die Jungfrau Maria ein: die Jungfrau von Guadalupe.
Das Interview führte Tanja Stünckel.
Zur Person
Suriana González Juárez hat Nahuatl-Blut von ihrer Mutter und Zapotec-Blut von ihrem Vater. Sie studierte Mathematik an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko und Soziologie der Erziehung an der Nationalen Pädagogischen Universität. Des weiteren besitzt Suriana González Juárez ein Zertifikat und ein Diplom in Bibelwissenschaften des Baptistischen Seminars von Mexiko. Außerdem hat sie einen Master-Abschluss in theologischen Studien am Palmer Seminary der Eastern University sowie Kurse und Ausbildungen in Konflikttransformation und Interkulturalität absolviert. Den Ruf Gottes zum Dienst empfing sie schon in jungen Jahren, als sie mit Menschen aus indigenen Kirchen zusammenlebte und die pastorale Arbeit ihrer Eltern begleitete. In den vergangenen 18 Jahren hat sie im Baptistischen Seminar von Mexiko und in verschiedenen Projekten mit marginalisierten Gemeinden in indigenen und vorstädtischen Gebieten Mexikos mitgearbeitet.
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