All about Africa

Es steht drauf, was drin ist: „All about Africa“ von Stève Hiobi erzählt kompakt und fesselnd von dem Kontinent. Der Afrofluencer, wie er sich nennt, gibt dabei einen kurzen Überblick über Geschichte, Gegenwart und Zukunft, stellt alle Länder im Kurzprofil vor und schafft es dabei, locker und luftig einherzukommen. „All about Africa“ ist ein Alleskönner, findet Katrin Lüdeke.

All about Africa – Was du über den Kontinent wissen solltest, Stève Hiobi, Verlag: Droemer, ISBN: 978-3-426-45000-0 © Foto: Droemer/Fallon Michael/unsplash | All about Africa – Was du über den Kontinent wissen solltest, Stève Hiobi, Verlag: Droemer, ISBN: 978-3-426-45000-0

Ein unverzerrter Blick

Stève Hiobi, der seit 2021 als @deinbrudersteve auf Instagram und TikTok zu finden ist, bezeichnet sich als Afrofluencer. Auf seinen Kanälen erzählt er in kurzen, informativen Beiträgen zum Beispiel über den ersten Schwarzen Piloten, die Schwarzen Wurzeln verschiedener Musikrichtungen und den Kolonialismus und wo er heute noch zu spüren ist. Ziel seines Kanals ist es, nicht nur auf die Geschichte einzugehen, sondern möglichst viele Menschen zu erreichen und Wissen und Zusammenhänge einfach zu erklären. 2023 gewann Hiobi für seine aufklärerische Arbeit den Grimme-Online-Award in der Kategorie Information.

Hürden und Vorurteile abbauen, das will er auch mit seinem Buch und es gelingt ihm hervorragend. Schon auf einer der ersten Seiten findet sich eine Afrika-Karte, die bekannte Darstellungen durchbricht. Den Umriss Afrikas füllen hier verschiedene Länder aus – die USA, Indien, China, Teile Westeuropas – und zeichnen ein Gegenbild zur üblichen Mercator-Projektion. Diese verzerrt die Größenverhältnisse der Länder, indem sie Flächen nahe des Äquators kleiner, hingegen die an den Polen überproportional groß darstellt. Kontinente wie Afrika erscheinen so deutlich kleiner, als sie tatsächlich sind. Es tut gut, gleich auf den ersten Seiten auf die tatsächliche Größe des Kontinents hingewiesen zu werden – nicht nur in dieser Hinsicht. Afrika ist sowohl der zweitgrößte Kontinent als auch reich an Bodenschätzen und über ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt dort.

Sprache als Schlüssel zur Identität

Ein besonderer Fokus des Buches liegt auf der unglaublichen Sprachenvielfalt des Kontinents (über 2.000 indigene Sprachen – das sind circa zehnmal so viele wie in Europa). Neben einem Kapitel, das sich einzig der Sprache widmet, greift Hiobi auch in weiteren, verschiedenen Ländern gewidmeten Kapiteln das Thema immer wieder auf, erklärt Sprachfamilien und Dialekte und zeigt so, wie Sprache Identität prägt.

In vielen westafrikanischen Gesellschaften ist es eine Person – Griot oder Griotte genannt –, deren Aufgabe es ist, das Wissen zu bewahren und weiterzugeben. „Wegen fehlender schriftlicher Aufzeichnungen glaubten einige Philosophen, Autoren und Politiker, dass Afrika ein Kontinent ohne Geschichte ist.“ Stève Hiobi zeigt, dass es nicht so war und erzählt eben diese Geschichte, die oft nur mündlich weitergegeben wurde.

Von Königreichen, Kriegen, Kulturen

Es geht um Musik, Wrestling und Fußball, große Kriege und Schätze, und natürlich auch koloniale Geschichte. Das Buch zeigt die Vielfalt des Kontinents – vielen der 54 Ländern widmet Hiobi ein eigenes Kapitel, das Geschichtliches, Aktuelles und Besonderes beleuchtet sowie bekannte Persönlichkeiten vorstellt – wie etwa den aus Liberia stammenden Weltfußballer George Weah, der später Präsident wurde, oder den kongolesischen Freiheitskämpfer Patrice Lumumba.

Wer mal vom alten Ägypten fasziniert war oder ist, wird sich von den Geschichten über andere große Königreiche und Städte einfangen lassen: Vom Reich von Ghana, den Königreichen Mali und Ruanda, den Imazighen, dem Songhai-Reich und der berühmten Stadt Timbuktu, die als intellektuelles Zentrum galt und sogar eine Redewendung („Geh doch nach Timbuktu“) prägte.

Deutlich wird dabei immer wieder, so vielfältig und intensiv die Beschreibungen auch sind, kann das hier dennoch nur ein Anriss sein, ein Einstieg, denn es ist eben doch ein komplexes Thema. Die vielen Fußnoten und das lange Quellenverzeichnis zeigen, es ist ein sorgsam kuratiertes Buch, das keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und so auch noch einmal die Ironie des Titels unterstreicht. Das Buch kratzt an der Oberfläche, macht neugierig und baut das Sprungbrett für ein tieferes Eintauchen.

Zwischen Unterhaltung und Aufklärung

„Die Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus ist leider noch eine Diskussion der Bildungseliten“, schreibt Hiobi über sein Herkunftsland Kamerun. „Ein Eindruck, den ich auch in Deutschland habe, wobei die Gründe in Kamerun und Deutschland komplett unterschiedlich sind.“ Mit diesem Buch muss das nicht so bleiben – wie auch Stève Hiobis Social Media Kanäle richtet sich das Buch nicht nur an eine bestimmte Zielgruppe. Durch die leicht verständliche lockere Sprache und die kurzen Abschnitte, die Sachverhalte schnell auf den Punkt bringen, fühlt sich das Buch auch ein bisschen nach Social Media Content an; es ist kein literarisches Meisterwerk, aber dadurch für jede*n geeignet. Die Geschichte Afrikas ist nicht zu kompliziert, um sie nicht zu verstehen.

Trotz der leichten, lockeren Sprache berührt das Buch auch tief, wenn es etwa vom Völkermord an den Tutsi oder den Herero erzählt, von der Gewalt und Unterdrückung der Kolonialzeit, die bis heute ihre Auswirkungen zeigt. Manchmal fühlt es sich aufgrund der Schwere des Themas jedoch nahezu falsch an, so locker daher zu kommen.

Keine Belehrung oder Anklage

Was dieses Buch nicht ist, ist eine Belehrung oder Anklage, es zeigt nicht mit dem Schuldfinger. Stattdessen vermittelt Stève Hiobi sachlich und neutral Wissen über Afrika. Er vermeidet einen westlich geprägten, überheblichen Blick und verzichtet auf Pauschalisierungen. Stattdessen stellt er die Vielfalt der Länder und Sprachen mit Respekt und auf Augenhöhe dar.

Das Buch endet mit einem Appell: Wir brauchen mehr Afrofluencer*innen – „Menschen mit afrikanischen Wurzeln, die ihre Plattformen nutzen, um als Vertreter der afrikanischen Diaspora Vorurteile zu bekämpfen und das Bewusstsein für die Vielfalt und den Reichtum afrikanischer Kulturen inner- und außerhalb des Kontinents zu erhöhen” – in der Politik, in Redaktionen, als Lehrkräfte und auf Social Media. Medien und die Menschen dahinter haben eine zentrale Rolle in der Formung von Perspektiven und Blickwinkeln – und damit auch eine große Verantwortung. „All about Africa“ wird dem gerecht und vermittelt ein authentisches und facettenreiches Bild des Kontinents.

Katrin Lüdeke


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