Dämonen und unreine Geister

Was sind böse Geister und Dämonen und wie lassen sie sich vertreiben? Luzia Sutter Rehmann gibt in ihrem Buch „Dämonen und unreine Geister – Die Evangelien, gelesen auf dem Hintergrund von Krieg, Vertreibung und Trauma“ eine klare Antwort. Sie zeigt, dass die Bibel nicht an einzelnen Wundergeschichten interessiert ist, sondern an der Dekonstruktion böser Mächte und der Resilienz gegenüber Marginalisierung und Ohnmacht. Für Beate Heßler ein lohnendes Buch. Sie hat es für uns gelesen.

Dämonen und unreine Geister,  Luzia Sutter Rehmann , Gütersloher Verlagshaus, ISBN: 978-3-579-05487-2 © Foto: Gütersloher Verlagshaus/Fallon Michael/unsplash | Dämonen und unreine Geister, Luzia Sutter Rehmann , Gütersloher Verlagshaus, ISBN: 978-3-579-05487-2

Die Evangelien, gelesen auf dem Hintergrund von Krieg, Vertreibung und Trauma

Im meinem Arbeitsumfeld rede ich hin und wieder über Dämonen und unreine Geister, zuletzt bei einem Besuch in Tansania. Unsere Gruppe aus der westfälischen Kirche war zu Gast in einem charismatischen Gottesdienst der lutherischen Partnerkirche in Daressalam. Dabei wurde sie Zeuge einer Dämonenaustreibung. Die dadurch entstandenen Irritationen mündeten in einen Diskussionsprozess mit der Frage nach der Berechtigung solcher Zeremonien: Sind sie biblisch begründet und darum auch heute legitim? – Später begleitete ich eine westfälische Gemeinde, die Redebedarf anmeldete: Eine ghanaisch geprägte Gemeinde, die den Kirchsaal mit nutzt, feiert dort Heilungsgottesdienste. Darf sie das?

Vor diesem Hintergrund habe ich das neue Buch der Schweizer Theologin Luzia Sutter Rehmann mit großer Neugier zur Hand genommen – und es hat sich gelohnt! Ich habe viel gelernt und bin tief eingetaucht in biblische Geschichten. Vor allem bin ich der Autorin gerne gefolgt in ihrer Analyse zum Kontext der Evangelien. Sie verortet die biblische Rede von Dämonen und Besessenheit in Verletzungen und Traumata von Menschen, die Schlimmes erlebt haben und wendet sich an die schwer verstörte Gesellschaft damals, die beherrscht war von Krieg, Flucht, Hunger und Tod.

Die Evangelien als Traumaliteratur

Ausführlich beschreibt Sutter Rehmann den jüdisch-römischen Krieg, der die Entstehungszeit der Evangelien prägte und zu dramatischen Verunsicherungen führte. Menschen gerieten in materielle und geistliche Not und fühlten sich konfrontiert mit Dämonen und unkalkulierbaren Gewalten. Sutter Rehmann bezeichnet die Evangelien deshalb als „Traumaliteratur“. Sie reagieren auf die Bedürfnisse von erschütterten, verzweifelten, bis ins Innerste aufgewühlten Menschen. Und so sprechen sie mitten hinein auch in unsere Zeit.

Die Exegese biblischer Geschichten wird von dieser Analyse entscheidend geprägt. Im Folgenden vertieft sich die Baseler Neutestamentlerin besonders ins Markusevangelium. Sie prüft geografische Angaben, zeitliche Verortungen, Familienverhältnisse und die Krankheitsbilder einzelner Erzählungen. Sie verdeutlichen, dass die Bibel nicht an einzelnen Wundergeschichten interessiert ist, sondern an der Dekonstruktion böser Mächte und der Resilienz gegenüber Marginalisierung und Ohnmacht.

Rätselhaftes will gelöst werden

Die „daimonions“ werden mit dem Begriff „Rätselhaftes“ übersetzt – da drängt Unsagbares, Untragbares und Unerträgliches nach außen. Es ist nicht wirklich fassbar, muss aber ernst genommen werden. Und im biblischen Sinne will dieses Rätselhafte gelöst werden und Menschen nicht länger belasten.

So spricht die Bibel auch nicht von Dämonen-Austreibung, sondern von deren Vertreibung. Luzia Sutter Rehmann weist darauf hin, dass damit ein ursprünglich individualistisch gedeuteter Begriff zu einem gesellschaftlichen und sozialen Faktor wird, der befreiungstheologisch gedeutet werden kann. Diesen Gedanken werde ich mitnehmen, wenn ich wieder einmal mit Heilungsgottesdiensten und Dämonen-Vertreibung zu tun habe. Die Frage ist dann nicht mehr: Dürfen protestantische Gottesdienste dafür Raum bieten? Sondern: Gelingt es, Dämonen und böse Geister so zu vertreiben, dass Befreiung für alle möglich ist?

Beate Heßler


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