Gemeinsam anders
Gemeinsam anders sein und gemeinsam die Kirche neu, anders gestalten – ein bisschen von beidem schwingt im Titel des Sammelbandes „Gemeinsam anders. Für eine vielfältige und gerechte Zukunft” mit. Die Kirche will ein Raum sein, in dem Gemeinschaft für alle möglich ist, an dem alle sein können. Nicht immer gelingt das, manchmal sogar gar nicht. Die 17 Autor*innen schreiben genau von diesen Momenten, sie erzählen von ihren persönlichen Erfahrungen, von ihren positiven und negativen Erlebnissen mit Kirche, von ihren Träumen und Wünschen. Katrin Lüdeke hat das Buch für uns gelesen.
© Foto: Bene!/Fallon Michael/unsplash | Gemeinsam anders, Sarah Vecera (Hg.), Verlag: Bene!, ISBN: 978-3-96340-334-7
Das von Sarah Vecera herausgegebene Buch hält ein Vergrößerungsglas auf die Ecken, die gerne mal ausgeblendet werden, weil sie nicht in das Image von Kirche passen. In dem Sammelband kommen Menschen zu Wort, die negative Erfahrungen mit der Institution Kirche gemacht haben, aber (noch) nicht bereit sind, die Kirche aufzugeben. Sie träumen von einer gemeinsamen Veränderung, von einer neuen Zukunft ohne Ausgrenzung. Von einer Kirche, die für und mit denen gestaltet wird, die anders sind, anders gemacht werden. Und es ist Zeit, eben diesen Menschen zuzuhören, nicht nur über sie zu sprechen, sondern sie selbst zu Wort kommen zu lassen – auch wenn es, oder gerade weil es drastische Worte sind.
Unbequem, aber notwendig
Die Vielfalt der erlebten Diskriminierungen zeigt dabei, dass Kirche – so auch wie die Gesellschaft – ein strukturelles Problem hat und es nicht einfach nur individuelle Erfahrungen sind. Diskriminierungserfahrungen können sich ergänzen und durch die Überschneidungen noch weniger sichtbar sein. Und es zeigt sich auch: Diskriminierungserfahrungen verbinden. Das Nicht-Dazugehören verbindet – zu einem gemeinsamen Anderssein.
„Gemeinsam anders“ ist ein Buch, das Verletzungen aufdeckt und sich nicht schämt, sie zu benennen. Es ist unbequem, über diese Themen zu sprechen – über Rassismus, Klassismus, Sexismus, Behinderten- und Queerfeindlichkeit – aber es muss getan werden. Das eigentliche Problem ist die Diskriminierung nicht die Offenlegung, und die Aussprache des Konflikts ist Teil der Lösung. Den Schmerz, die Scham, die Enttäuschung – Kirche muss aushalten können, wenn Menschen berichten, dass sie die Kirche anders erlebt haben, dass die Kirche kein Safe Space war. Und gerade in der heutigen Zeit haben wir die Ressourcen und die Sprachfähigkeit, um Lösungen zu finden und zur Weiterentwicklung beizutragen.
Betroffen sind wir alle
Gemeinsam anders – nicht nur diejenigen sind aufgefordert, die von Diskriminierung betroffen sind, sondern auch alle anderen, die von ihr profitieren. Die, die vermeintlich unbetroffen und neutral sind, haben oft keinen Anreiz darüber zu sprechen, dabei haben sie großes Potenzial, (strukturelle) Veränderung zu bewirken. Und sie haben die Zeit und Energie, aktivistisch zu sein. Das Buch ist eine Ermunterung, genau das zu tun – sich zu engagieren und für Veränderung einzusetzen. Und Veränderung beginnt mit Zuhören.
Dass dieses gemeinsam anders möglich ist, steht für Sarah Vecera fest: „Die Kirche, die wir ersehnen, kann Realität werden. Sie lebt bereits in unseren Träumen, in unseren Gebeten, in unserem Widerstand. Sie wächst in jedem Moment, in dem wir uns weigern zu schweigen, in dem wir einander in Liebe begegnen, in dem wir Räume einnehmen, die uns zustehen. Denn wir sind nicht nur die Zukunft der Kirche – wir sind ihre Gegenwart, ihre pulsierende, lebendige, unbequeme Wahrheit.“
„Gemeinsam anders“ fordert auch seine Lesenden heraus, genau hinzuschauen und uns selbst und unseren Blick auf die Welt zu hinterfragen. Ja, das ist mitunter unbequem, aber es ist notwendig.
Katrin Lüdeke
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